Was hat die künstliche Intelligenz (KI) mit dem Bankgeschäft zu tun? Wie sieht die technologische Zukunft von Finanzinstituten im Beratungsgeschäft aus? Welche Applikationen hat KI im Finanzgeschäft? Dazu haben wir Sandro Schmid, CEO von AAAccell AG gefragt. Sandro Schmid arbeitete zuvor als CEO, COO und CRO bei Gross- und Privatbanken und war 10 Jahre als Big4 Partner im Bereich Risiko & Performance tätig. Seit rund 10 Jahren unterrichtet er an der Universität Zürich und am SFI (Swiss Finance Institute) Quantitative Finance, Risk Management und Capital Management. Ausserdem ist Sandro Schmid auch Co-Präsident der Swiss Risk Association.
Man spricht heute darüber, dass die künstliche Intelligenz (KI) viel Potenzial in der Prozessautomatisierung hat.
KI kann in sehr vielen Industrien und Bereichen sinnvoll eingesetzt werden und natürlich auch in der Finanzindustrie. Ich denke, viele Prozesse können mittels KI voll oder partiell automatisiert werden. Gewisse Prozesse können dabei beschleunigt oder optimiert werden. Gewisse Prozesse oder Prozessschritte werden jedoch noch länger nicht mit KI verbessert werden können, da nicht genügend Daten für die zugrunde liegende Komplexität der Prozesse vorliegen. Menschen werden also auch zukünftig eine zentrale Rolle bei den Instituten einnehmen.
Haben Banken ein Problem damit, dass in KI wenig investiert wird?
Banken, welche heute nicht in KI investieren, haben zwar Nachteile, aber noch keine konkreten Probleme. Ich vertrete jedoch die Meinung, dass jene Banken, die früh beginnen, mit KI zu arbeiten, in relativ kurzer Zeit stark davon profitieren werden. Für Banken ohne KI kann es schnell gefährlich werden, den Anschluss zu verlieren. Einige Schweizer Finanzinstitute haben damit begonnen, KI auszuprobieren bzw. konnten in gewissen Bereichen bereits Fortschritte und Erfolge verzeichnen. Die Schweiz erlebe ich jedoch bei der Entwicklung von KI-Applikationen im Vergleich mit dem Ausland noch eher zurückhaltend. Innovationen mit KI sind nicht trivial, jedoch aus meiner Sicht eine Notwendigkeit, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Welche Länder sind vor allem gemeint?
Ich denke vor allem an die USA, China oder Singapur, wobei sich KI global schnell ausbreitet. BlackRock oder BridgeWater sagten bspw. in 2017, dass deren gesamtes Asset Management bald nur noch primär mit quantitativen Modellen unter Einsatz von KI erfolgen werde. Der Grund, warum gewisse Länder sich schneller bewegen als andere, sehe ich darin, dass viele Länder in KI einen Konkurrenzvorteil sehen, sich im Finanzbereich besser zu etablieren. Sicherlich liegt dort auch eine offenere «Trial and Error»-Kultur vor.
Ich habe aber zum Teil den Eindruck, dass das Thema künstliche Intelligenz ein Hype ist. Könnten Sie vielleicht einen konkreten Nutzen nennen, den sie generieren könnte?
KI wird je länger je wichtiger. Die rasante Entwicklung verleitet einen jedoch zum Hype-Gedanken. Es gibt aber viele gute Gründe, warum KI wichtig bleiben wird. Konkreter Nutzen wurde bereits im Anlagebereich, Kundenumgang, Risiko Management oder Compliance gefunden. Gewisse Banken führen Bots in den Kundenzimmern ein, welche einfache Transaktionen übernehmen.
Heute identifiziert man sich mit einem Ausweis. Wie kann es dann mit KI aussehen?
Eine Vision könnte sein, dass eine Bank den Kunden bzw. dessen Gesicht in 3D kennt, die Iris, Fingerabdrücke und Stimme registriert und all diese Daten an das Kundenidentifikationsfile koppelt. Der Kunde könnte dann auswählen, ob er eine ein- oder eine mehrstufige Identifikation in den Bankprozessen möchte – in Abhängigkeit vom Kundensicherheitsempfinden. Am Schalter oder im Netz könnte sich dann der Kunde mittels der 3D-Gesichtserkennung und Stimmerkennung zu 100% identifizieren lassen. Bei kleinen Transaktionen könnte die Stimme ausreichen, bei grossen Transaktionen könnten es bspw. mind. 3 Methoden sein.
Wenn man sich die Forschung anschaut, was sind die wichtigsten Forschungsergebnisse, die Finanzinstitute bisher noch nicht implementiert haben?
Aus unserer Sicht ist die Verwaltung von Vermögen eine der wichtigsten Kernfunktionen einer Bank, wenn nicht die wichtigste. Der Kunde möchte möglichst viel Gewinn mit möglichst wenig Risiken eingehen, dies auf seine Risikobereitschaft und Vermögenslage ausgerichtet. Folglich sollte aus meiner Sicht jedes Institut sehr genau wissen, wie modern und zeitgerecht die Kundenvermögen verwaltet werden und ob die aktuelle Methode bspw. mit KI oder anderen Methoden verbessert werden kann. Man will ja beim Arzt auch keine Medikamente erhalten, welche zwar in der Vergangenheit in Ordnung waren, heute aber nicht mehr verwendet werden.
Aufgrund von schnelleren Computern und mehr Daten wurden insbesondere in diesem Bereich in den letzten 10 Jahren grosse Fortschritte erzielt, u.a. auch mit KI. Solche Methoden reduzieren nachweislich die Portfoliorisiken und können gleichzeitig die Erträge erhöhen.
Was macht AAAccell AG hier genau?
Wir haben in den letzten Jahren ein System entwickelt, das auf zahlreichen Forschungsergebnissen von führenden ETH– und UZH-Professoren sowie erfahrenen Finanzexperten basiert. Das System reduziert stark und vollautomatisch die Portfoliorisiken, ohne dass die einzelnen Investitionen ausgetauscht werden. Gleichzeitig werden dabei die Erträge erhöht. Das System heisst PSARM und der Name steht für «Portfolio Selection with Active Risk Monitoring».
Wie gross ist das Team von AAAcell?
Das Kernteam besteht aus 27 Leuten, davon haben wir 2 ehemalige Banken CEOs, 11 Professoren und verschiedene «Quants» mit PhD oder Master, meist von der ETH oder Universität Zürich. Wir decken damit verschiedene Fähigkeiten ab wie bspw. Kapitalmarkt, Quantitative Finance, Mathematik, Ökonometrie, Statistik, KI aber auch Softwareentwicklung in verschiedenen Sprachen wie bspw. Python.
In welcher Phase sind Sie zurzeit?
Wir sind in der Growth Phase. 2014 haben wir die Firma gegründet und den Spin-off-Status von der Universität Zürich erhalten. 2015 und 2016 haben wir verschiedene strategische und organisatorische Grundlagen geschaffen und die ersten Produkte im Markt getestet. Anfang 2017 sind wir dann breiter in den Markt gegangen und stiegen zwischenzeitlich zu den Top 5 Swiss Fintech Startups of the Year auf, erhielten das „High Potential SME“-Qualitätssiegel vom Swiss Economic Forum und wurden Gewinner in Programmen wie Digital Switzerland, Venture Leader und anderen.
Wachsen Sie zurzeit?
Ja, wir durften im 2018 bereits ein sehr starkes Wachstum feststellen. Momentan wachsen wir weit im 2-stelligen Bereich.
Welcher Nutzen entsteht für meine Kunden, wenn ich als Bank eine Ihrer Lösungen integriere?
Die Kunden erhalten hochwertigere Investitionsportfolios und profitieren somit von tieferen Risiken sowie höheren Erträgen. Zum Beispiel konnten wir bei einer Pensionskasse die Risiken um 30% reduzieren und gleichzeitig die Erträge um 5% erhöhen. Zusätzlich können wir neue Services in diesem Umfeld anbieten und zahlreiche Prozesse voll automatisieren.
Ändert das etwas für das Beratungsgeschäft? Wie würde der Einsatz von KI bei einer Bank der Zukunft aussehen?
Ja, das ändert den grossen Teil des Beratungsprozesses. Kunden oder Kundenberater erhalten weitere wichtige Informationen, neue Fähigkeiten und erweiterte Visualisierungen. Die Beratung kann physisch oder virtuell sehr schnell erfolgen. Bots können gewisse Funktionen übernehmen. Dabei werden Kundenportfolios laufend und vollautomatisch sehr genau überwacht. Die Kunden oder deren Berater erhalten zeitnah essentielle Informationen, wenn Handlungsbedarf ansteht. Solch umfassende Beratungsmöglichkeiten können für Kunden viel mehr Nutzen generieren und vermutlich auch bei tieferen Kosten.
Was wäre Ihr Buchtipp für KI-Interessierte?
Beispielsweise «Künstliche Intelligenz: ein moderner Ansatz» von Stuart Russell und Peter Norvig oder ein bekömmlicher Überblick von Goldman Sachs «Profiles in Innovation. AI, Machine Learning and Data Fuel the Future of Productivity in Artificial Intelligence».
Herzlichen Dank! Das war Sandro Schmid von AAAccell.
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